Die Mino von Dahomey: Kriegerinnen eines westafrikanischen Königreichs
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Einführung und Bedeutung
In der Geschichte Westafrikas nimmt das Königreich Dahomey, das im heutigen Benin lag, eine besondere Stellung ein. Zwischen dem 17. und dem späten 19. Jahrhundert entwickelte sich dort eine militärische Einheit, die in der Weltgeschichte nahezu einzigartig ist: eine rein weibliche Armee, die als reguläre Kampftruppe diente. Diese Frauen werden im Westen häufig als "Amazonen von Dahomey" bezeichnet, doch diese Benennung stammt von europäischen Beobachtern, die Parallelen zu den mythologischen Amazonen der griechischen Antike zogen. Die Kriegerinnen selbst nannten sich in der Sprache Fon "Mino" oder "Minon", was "unsere Mütter" bedeutet, oder auch "Ahosi", was "Ehefrauen des Königs" heißt.
Der beninische Professor und Linguist Albert Bienvenu Akoha erklärt, dass viele dieser Mädchen Töchter von Sklaven waren. Wenn zwei Sklaven auf dem Gebiet von Dahomey ein Kind zur Welt brachten, wurde es automatisch als frei angesehen und galt als "Kind des Königs". Diese Mädchen wurden häufig für die Mino rekrutiert und erhielten dadurch Möglichkeiten, die ihnen sonst verwehrt geblieben wären.
Ursprünge und Entwicklung
Die Anfänge der Mino reichen nach mündlicher Überlieferung bis ins 17. Jahrhundert zurück. Eine Theorie besagt, dass sie zunächst als Elefantenjägerinnen unter König Houegbadja (ca. 1645-1685) dienten und "Gbeto" genannt wurden, was "Jägerinnen" bedeutet. Diese Frauen jagten verschiedene Wildtiere, insbesondere Elefanten, deren Stoßzähne als königliche Ornamente galten und deren Fleisch verzehrt wurde.
Die ersten gesicherten schriftlichen Äußerungen über weibliche Soldaten sind für die Einnahme von Whydah im Jahr 1730 bezeugt. Die Formalisierung der Mino als reguläre militärische Einheit erfolgte jedoch erst in den 1830er Jahren unter König Gezo (regierte 1818-1858). Gezo maß der Armee große Bedeutung bei und formalisierte ihre Struktur von einer zeremoniellen zu einer ernsthaften militärischen Einheit. Die Entstehung dieser weiblichen Armee hatte mehrere Gründe: Das Königreich Dahomey führte ständig Kriege mit Nachbarstaaten, was zu hohen Verlusten unter den männlichen Soldaten führte. Zudem durften Männer nach Einbruch der Dunkelheit den königlichen Palast nicht betreten, um Staatsstreiche zu verhindern, weshalb Frauen als Leibwächter eingesetzt wurden.
Organisation und Struktur
In Friedenszeiten zählte die Armee Dahomeys etwa 12.000 Soldaten, davon etwa 7.000 Männer und 5.000 Frauen. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht umfassten die Mino nach Schätzungen zwischen 4.000 und 6.000 Kriegerinnen und stellten damit etwa ein Drittel der gesamten Streitkräfte Dahomeys dar.
Die Mino waren in verschiedene spezialisierte Regimenter unterteilt, jedes mit eigener Uniform, Hierarchie und Aufgabe. Zu diesen Einheiten gehörten die Gbeto (Jägerinnen), die Gulohento (Gewehrträgerinnen), die Nyekplohento (Schnitterinnen), die Gohento (Bogenschützinnen) und die Agbalya (Kanonierinnen). Die Nyekplohento trugen scharfe Klingen und galten als besonders furchteinflößend und rücksichtslos. Die Gulohento bildeten das größte Regiment und waren mit Gewehren sowie kurzen Schwertern oder Speeren ausgerüstet.
Die weiblichen Einheiten wurden von weiblichen Offizierinnen geführt, die ihren männlichen Kollegen entsprechend ihrem Rang gleichgestellt waren. Der Sonnenschirm galt als bedeutendste Auszeichnung für die Regimenter. Die männliche und weibliche Armee wurden unabhängig voneinander geführt und waren in innenpolitischen Fragen teilweise sogar Gegner.
Training und Lebensweise
Das Leben als Mino war außergewöhnlich und forderte höchste Disziplin. Die Mino trainierten mit intensiven körperlichen Übungen und lernten Überlebensfähigkeiten sowie Gleichgültigkeit gegenüber Schmerz und Tod. Bei militärischen Übungen mussten sie durch scharfe Akaziendorn-Barrieren kriechen, und die Mutigsten erhielten Gürtel aus diesem Baum als greifbaren Beweis dafür, dass sie Schmerzen nicht fürchteten. Die Rekrutinnen wurden auch bei Hinrichtungen von Gefangenen eingesetzt, um sie an den Tod zu gewöhnen.
Eine französische Delegation berichtete im späten 19. Jahrhundert von einer etwa sechzehnjährigen Mino-Rekrutin beim Training. Das junge Mädchen wirbelte ihre Machete dreimal herum, bevor sie den Kopf eines Gefangenen mit einem einzigen Hieb abtrennte, dann wischte sie das Blut von ihrem Schwert ab und leckte es sauber. Diese brutale Ausbildung sollte die Kriegerinnen auf die Härte des Kampfes vorbereiten.
Die Mino galten als mit dem König verheiratet, hatten aber keine sexuellen Beziehungen zu ihm. Sie blieben unverheiratet und widmeten ihr Leben dem Königreich, verzichteten auf alles, was mit traditioneller Weiblichkeit verbunden war. Europäische Beobachter berichteten, dass die Mino von sich selbst sagten: "Wir sind Männer, keine Frauen." Diese geschlechtliche Transformation war Teil ihrer Identität als Kriegerinnen.
Wenn die Mino den Palast verließen, ging ihnen ein Sklavenmädchen mit einer Glocke voraus, deren Klang jeden Mann warnte, ihnen aus dem Weg zu gehen, Abstand zu halten und wegzusehen. Die Mino waren wohlhabend und genossen hohes Ansehen. Sie bewohnten den königlichen Palast und erhielten Nahrung, Alkohol, Tabak sowie die Dienste versklavter Menschen.
Politische Rolle und Einfluss
Die Bedeutung der Mino ging weit über ihre militärischen Aufgaben hinaus. Die Mino spielten eine prominente Rolle im Großen Rat und debattierten über die Politik des Königreichs. Von den 1840er bis zu den 1870er Jahren unterstützten sie im Allgemeinen den Frieden mit Abeokuta und stärkere Handelsbeziehungen zu England. Sie bevorzugten den Handel mit Palmöl gegenüber dem Sklavenhandel, was sie in Konflikt mit ihren männlichen Militärkollegen brachte.
Diese politische Beteiligung verdeutlicht, dass die Mino nicht nur Kriegerinnen waren, sondern einflussreiche Akteurinnen in der Staatsführung. Sie konnten in Führungspositionen aufsteigen und eine Macht und einen Einfluss erlangen, der den meisten Frauen in anderen Gesellschaften verwehrt blieb.
Militärische Kampagnen
Die Mino bewiesen ihre Kampfkraft in zahlreichen Schlachten. Sie kämpften gegen das Oyo-Reich, gegen die Mahi und andere Nachbarvölker. Bei den Niederlagen gegen Abeokuta in den Jahren 1851 und 1864 hoben weiße Beobachter besonders die Tapferkeit und den Mut bis zur bedingungslosen Aufopferung der Amazonen hervor. In der Region war es üblich, dass Kriegerinnen mit den Köpfen und Genitalien ihrer Gegner nach Hause zurückkehrten.
Der größte und letzte Kampf der Mino fand gegen die französischen Kolonialtruppen statt. Europäische Beobachter bemerkten, dass die Frauen sich im Nahkampf bewundernswert schlugen, aber ihre Steinschlossgewehre aus der Hüfte abfeuerten, anstatt von der Schulter zu schießen. Gegen eine militärische Einheit mit deutlich überlegener Waffentechnik und längeren Bajonetten konnten die Mino jedoch nicht bestehen.
Bei der Schlacht von Adegon am 6. Oktober 1892 wurde der Großteil des Mino-Korps innerhalb weniger Stunden im Nahkampf nach einem französischen Bajonettangriff ausgelöscht. Dahomey verlor 86 reguläre Soldaten und 417 Mino, fast alle durch Bajonette getötet, während die Franzosen sechs Soldaten verloren.
Die komplexe historische Rolle
Es ist wichtig, die Geschichte der Mino in ihrem vollständigen historischen Kontext zu betrachten. Das Königreich Dahomey war tief in den atlantischen Sklavenhandel verstrickt. Viele afrikanische Stämme, einschließlich Dahomey, versklavten ihre Feinde und verkauften sie an europäische Sklavenhändler im Austausch gegen Waffen. Die Mino spielten eine aktive Rolle bei Raubzügen und der Gefangennahme von Menschen für den Sklavenhandel.
Diese Verstrickung in den Sklavenhandel darf nicht verschwiegen werden, wenn man über die Mino spricht. Sie waren gleichzeitig bahnbrechend in Bezug auf Status und Rolle in ihrem Königreich und beunruhigend mitschuldig an der Geschichte der Versklavung auf dem Kontinent. Diese Ambivalenz gehört zur vollständigen historischen Wahrheit.
Das Ende und das Leben danach
Die Truppen wurden aufgelöst, als das Königreich 1894 französisches Protektorat wurde. Mündliche Überlieferungen besagen, dass einige überlebende Mino heimlich in Abomey blieben und dort mehrere französische Offiziere ermordeten. Andere Geschichten erzählen, dass die Frauen ihre Dienste zum Schutz von Agoli-Agbo, dem Bruder von König Béhanzin, anboten und sich als seine Ehefrauen tarnten, um ihn zu bewachen.
Einige der Frauen heirateten und bekamen Kinder, während andere ledig blieben. Laut einem Historiker, der das Leben von fast zwei Dutzend ehemaligen Mino nachverfolgte, zeigten alle Frauen Schwierigkeiten bei der Anpassung an das Leben als pensionierte Kriegerinnen und kämpften oft darum, neue Rollen in ihren Gemeinschaften zu finden, die ihnen ein vergleichbares Gefühl von Stolz gaben wie ihr früheres Leben. Viele neigten dazu, Kämpfe oder Streitereien anzufangen, die ihre Nachbarn und Verwandten erschreckten.
Die letzte überlebende Mino soll eine Frau namens Nawi gewesen sein. In einem Interview im Jahr 1978 im Dorf Kinta behauptete sie, 1892 gegen die Franzosen gekämpft zu haben. Nawi starb im November 1979 im Alter von weit über 100 Jahren.
Kulturelles Erbe und moderne Erinnerung
Die Geschichte der Mino hat in den letzten Jahren international zunehmend Aufmerksamkeit erhalten. 2015 veröffentlichte die UNESCO eine Graphic Novel über die Mino als Teil ihrer Serie "Frauen in der afrikanischen Geschichte". An diesem Projekt waren afrikanische Expertinnen und Experten wie Joseph Adande aus Benin beteiligt, was sicherstellt, dass afrikanische Perspektiven in die Darstellung einfließen.
In Benin selbst werden die Mino heute als Symbol nationaler Identität und weiblicher Stärke verehrt. Im Jahr 2022 wurde in Cotonou, Benin, eine Statue enthüllt, die die Mino ehrt und die zweithöchste in Afrika ist. Der beninische Präsident Patrice Talon kündigte anlässlich der Rückkehr der Dahomey-Schätze drei neue Museen an, darunter ein Museum zur Geschichte der Sklaverei in Ouidah und ein Museum der Könige von Dahomey in Abomey, das auch die Geschichte der afrikanischen Amazonen angemessen darstellen soll.
Der Film "The Woman King" aus dem Jahr 2022 mit Viola Davis brachte die Geschichte der Mino auf die weltweite Bühne und löste ein erneutes Interesse an ihrer Geschichte aus. Zwar handelt es sich um eine fiktionalisierte Darstellung, doch sie hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für diese bemerkenswerten Kriegerinnen zu schärfen.
Bedeutung für die Geschichtsschreibung
Die Geschichte der Mino stellt viele westliche Vorstellungen über afrikanische Frauen infrage. Sie widerlegt koloniale Vorstellungen, dass afrikanische Frauen passiv waren oder auf den häuslichen Bereich beschränkt blieben. Die Mino standen Seite an Seite mit Männern in einer der heftigsten militärischen Traditionen Afrikas und schrieben damit die Geschichte von Geschlecht und Kriegsführung neu.
Für viele Frauen bot der Dienst bei den Mino eine Flucht aus der häuslichen Plackerei und die Möglichkeit, Wohlstand, Status und politischen Einfluss zu erlangen. Diese Aspekte machen die Mino zu einem wichtigen Beispiel für alternative Geschlechterrollen in vorkolonialen afrikanischen Gesellschaften.
Die Geschichte der Mino zeigt uns die Komplexität afrikanischer Geschichte jenseits vereinfachender Narrative. Sie waren gleichzeitig Heldinnen ihres Königreichs, furchteinflößende Kriegerinnen, politisch einflussreiche Akteurinnen und Beteiligte an einem unmenschlichen Sklavenhandelssystem. Diese Vielschichtigkeit anzuerkennen ist wesentlich für ein umfassendes Verständnis ihrer Geschichte.
Schlussbetrachtung
Die Mino von Dahomey bleiben eine der faszinierendsten militärischen Formationen der Weltgeschichte. Als einzige dokumentierte rein weibliche Kampfarmee der modernen Geschichte stellten sie Geschlechternormen infrage und bewiesen außergewöhnliche Tapferkeit und militärische Fähigkeit. Ihre Geschichte verdient es, erzählt zu werden, nicht als romantisierte Legende, sondern in ihrer vollen historischen Komplexität, die sowohl ihre bemerkenswerten Errungenschaften als auch ihre problematische Rolle im Sklavenhandel umfasst.
In Benin werden sie heute als Teil des nationalen Erbes gefeiert, und weltweit dienen sie als Inspiration für Diskussionen über weibliche Führung, Widerstand und die Vielfalt afrikanischer Geschichte. Die Mino erinnern uns daran, dass die Geschichte Afrikas reich, komplex und voller bemerkenswerter Geschichten ist, die noch darauf warten, vollständig erzählt und verstanden zu werden.